Wenn Sie sich einen Coder vorstellen – taucht dann vor Ihrem inneren Auge eine Art Mark Zuckerberg auf? Ein Studienabbrecher im Kapuzenpulli, der drei Tage und Nächte durch eine App zusammenhackt, um unglaublich reich zu werden und „die Welt zu verändern“?
Falls ja, dann ist es an der Zeit, dieses Silicon-Valley-Klischee über Bord zu werfen. Das findet jedenfalls „WIRED“-Autor Clive Thompson. Abonnenten der gedruckten Ausgabe konnten das bereits im Dezemberheft 2016 lesen – ein Jahresabo der US-amerikanischen „WIRED“ kostet hierzulande übrigens schlappe 70 Dollar, die digitalen Ausgaben auf dem Tablet inklusive …
Thompson vertritt in seinem Text die Auffassung, wir alle sollten Code schreiben realistischer als den Facharbeiterjob der Zukunft sehen. Ein bisschen weniger Wunderkind, ein bisschen mehr Proletariat. Nicht jeder Entwickler müsse abgefahrene neue Algorithmen für Flash Trading oder neuronale Netze schreiben. JavaScript für die örtliche Bank zum Beispiel tue es oftmals auch und sei ein solider, gut (und immer besser) bezahlter Mittelklasse-Job. Genau einer von denen, deren Verschwinden Politiker routinemäßig beklagten.
Da, wo die Deindustrialisierung die USA am härtesten getroffen hat, machen sich Menschen das zunutze. Der frühere Bergarbeiter Rusty Justice aus Kentucky hat zum Beispiel beschlossen, das Code die Kohle ersetzen kann. Er hat die Firma Bit Source mitgegründet, die frühere Kumpel zu Programmierern umschult. 950 Bewerbungen hat Justice auf seine ersten elf Stellen erhalten. Bergleute sind tiefen Fokus, Teamarbeit und die Arbeit mit komplexer Technik bereits gewohnt. „Coal Miner sind doch bloß Tech-Arbeiter, die dreckig werden“, sagt Justice.
Derweil versucht das nicht gewinnorientierte CodeTN in Tennessee, Oberschüler in Programmierkurse an Community Colleges (eine Art Fachoberschule) zu locken. Mit dem Zuckerberg-Klischee mag das vielleicht wenig gemein haben. Dieses ist aus Sicht von CodeTN-Mitgründer Caleb Fristoe aber ohnehin eher kultureller Klotz am Bein. „Wir brauchen mehr Arbeitgeber, die sagen ‚Hey, wir brauchen einfach jemanden, der sich um unsere Anmeldeseite kümmert‘“, sagt er. „Man muss kein Superstar sein.“
Natürlich braucht die Gesellschaft Superstars. Ein paar, die Neues vorantreiben in Firmen und Forschung, die neue Anwendungen wie Machine Learning entwickeln. Einer neuen Sicht auf das, was den Großteil der Programmierarbeit ausmacht, müsse das aber nicht im Wege stehen, schreibt Thompson weiter. Jahrzehntelang haben demnach die Popkultur und Autoren (wie er selbst) das „einsame Genie“ überhöht, die jungen Milliardäre aus „The Social Network“ oder die anonymisierten, lederbekleideten Emo-Hacker in „Mr. Robot“. Die wahren Helden seien aber jene, die jeden Tag zur Arbeit gehen und etwas Gutes produzierten – egal ob Autos, Kohle oder Code.
Ob Facharbeiter oder Superstar: Wir bei Retarus suchen Dich. Bei uns schreibst Du natürlich nicht bloß Code, sondern Geschichte 😉 Alles Weitere steht auf retarus.de/karriere.